Stephanie Barber &

Another Horizon

Mit ihrer 11 Meter langen Collage bestehend aus Horizontfotografien hat Stephanie Barber sowohl eine visuelle wie auch mentale Landschaft erschaffen. Sie hat die Bilder verbunden, indem sie jeden der etwa 12.000 Aufnahmen mit einer Rasierklinge entlang der Horizontlinie eingeritzt hat. Die Landschaft wird von einem aus zwei Stimmen bestehenden Soundtrack begleitet: Jayne Love liest einen Text, den die Künstlerin für sie geschrieben hat. In diesem denkt sie über die Idee des Horizonts nach. Ihre Gedanken werden vermischt mit Fragmenten von Richard (Oswan) Williams exzentrischen wie bodenständigen Wohnzimmerpredigten über die befreiende Macht von Tod und Transzendenz.


ANOTHER HORIZON ist eine experimentelle Dokumentation, die zwischen Fakt und Fiktion sowie Himmel und Erde hin und her schwingt. Wie in vielen ihrer Werke nimmt uns Barber mit zu einer philosophischen Untersuchung der menschlichen Existenz; dabei beweist sie sowohl ein Gespür für Leichtigkeit wie auch eine offensichtliche Liebe für die Sprache. Indem sie den Horizont verfolgt, hat sie eine Metapher für den schmalen Grat zwischen Leben und Tod auf der einen und Körperlichkeit und Spiritualität auf der anderen Seite erschaffen. Um uns orientieren zu können, lassen wir unseren Blick oftmals in die Ferne schweifen, hin zu dem Ort, wo sich Himmel und Erde augenscheinlich berühren. Der Horizont ist jedoch eine Sinnestäuschung, ein flüchtiger Ort, da sich Himmel und Erde ja nie tatsächlich berühren. Oder, wie Jayne Love anmerkt: »Du meinst, den Horizont zu betrachten, aber du schaust schon über ihn hinaus.«

Wenn es nicht der Horizont ist, den wir sehen, was betrachten wir dann? In gewisser Weise kann Barbers Arbeit in die Tradition der deutschen Romantik eingeordnet werden, eine Kunstbewegung, die im 19. Jahrhundert vorherr- schend war. Einer ihrer bekanntesten Vertreter war Casper David Friedrich, dessen ausufernde Landschaftsmalereien tief im Spirituellen und Erhabenen beheimatet sind. Barber schreibt: »Der Horizont ist immer woanders [...] ein Versprechen des Übergangs, der Veränderung, von Transzendenz. Ein Ort, wo sich das Körperliche und das Spirituelle begegnen, oder aber zerspalten werden.«

Als junge Künstlerin lebte Barber einige Monate lang bei Richard (Oswan) William und seiner Frau Mary in deren spirituellen Voodoo-Tempel in New Orleans. Sie nahm ihre Gespräche, die oft unter dem Einfluss von Rum stattfanden, auf Kassette auf. Wir hören, wie Richard über den Tod als Moment der Befreiung, an dem die Seele vom Körper getrennt wird, sinniert. Seine profunden und existenziellen Gedanken stehen in starkem Widerspruch zu seiner ungeschminkten Ausdrucksweise und seinem Humor. Man kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, wenn seine Worte sich in ein Mantra auflösen, während sich seine Tenorstimme und die vervielfachten Horizonte vermischen. Obwohl »nicht immer klar ist was wir sehen«, gibt es so viel am anderen Horizont zu sehen. (Nathanja Van Dijk)

Abbildungen: Stephanie Barber, Another Horizon, 2020 © Stephanie Barber / Courtesy of Video Data Bank, www.vdb.org, School of the Art Institute of Chicago

Über die Künstlerin

Stephanie Barber * geboren in Riverhead, New York, USA, lebt und arbeitet in den USA
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Über das Werk

Länge 00:08:54

Hintergründe auf Videonale X

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Stephanie Barber hat sich einen besonderen Gast eingeladen um über ihre Arbeit zu reden und mit den Wölfen zu heulen.
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