Kent Chan &

Heat Waves

Die Videoinstallation HEAT WAVES des Künstlers Kent Chan ist ein Potpourri aneinandergereihter Videosequenzen, die auf unterschiedliche Weise Verbindungslinien zu Politiken und Ästhetiken der Hitze ziehen. Gezeigt werden die Sequenzen in schnellem Wechsel auf zwei Bildschirmen. Die daraus folgende Reizüberflutung wirkt vergleichbar mit einem Social-Media-Feed, der auf MTV-Musikvideos, Doku-Material, Comics und Sci-Fi trifft.

Angelehnt an Soziale Medien und ihre häufig kritisierte Oberflächlichkeit untersucht die Videoinstallation imaginierte Bilder und Narrative, die zu Hitze und ›den Tropen‹ kursieren. Der Blick der Betrachter:innen fällt quasi über die Schulter einer recherchierenden Person. Die Recherche stellt sich notwendigerweise den Bildern, die häufig homogenisierende Klischees sind. Gibt selbst sogar kurz dem Sog nach, den die Bilder ausüben. Klischees werden aufgegriffen; so ist beispielsweise ein Ausschnitt aus einem Schönheitstutorial zu sehen, in dem es darum geht, einen ›tropischen Look‹ nachzuahmen. Das Werk fokussiert so die Verbreitung tropischer und mit Hitze verknüpfter Ästhetiken und wirft die Frage nach ihrer (popkulturellen) Aneignung auf — auch durch Referenzen auf US-amerikanische Popsongs, die sich ›tropischer Ästhetik‹ ohne jegliche Reflexion ihrer Herkunft bedienen. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie viele Schichten es abzutragen und zu verstehen gilt, um hinter kollektiv geschaffene Bilder und Klischees zu blicken, die ›die Tropen‹ homogenisieren.

Die Videoinstallation nähert sich der Thematik Hitze und der Trope der Tropen aus einer dezidiert dekolonialen Perspektive, die auch in Kent Chans weiterer künstlerischer Praxis eine Rolle spielt. Hitze bildet eine Brücke, um über Aneignung und Kolonisierung zu sprechen, auch weil ein Großteil tropischer Gebiete kolonisiert wurde: Reiseberichte europäischer Kolonialherren sind durchzogen von der Beobachtung, dass sie in tropischen bzw. heißen Gebieten nicht denken könnten. Unterstützt durch die im Video kurz angerissenen Ausführungen von Aristoteles, der tropische Gebiete Jahrhunderte zuvor als zu nah an der Sonne und somit unbewohnbar eingestuft hatte, legten sie so Grundsteine für die Entmenschlichung indigener Communities und zur Legitimierung der Kolonialisierung der Gebiete, in denen sie lebten und leben. So ist einer der Fäden, die sich durch das Video spannen, die Verdeutlichung der Verknüpfung zeitgeschichtlicher Aspekte von Hitze und der Konstruktion von ›race‹.

Im Video tauchen die Titel zweier weiterer Werke von Kent Chan auf, Warm Front und Future Tropics, fast wie Teaser für sein weiteres künstlerisches Schaffen. HEAT WAVES weist aber auch auf anderer Ebene in die Zukunft: ›Die Tropen‹ werden immer in der Vergangenheit beschrieben, aufgrund von Kolonisierung in der Entwicklung verzögert. Chan findet in HEAT WAVES den Auftakt dazu, über ›das Tropische‹ in der Zukunftsform zu sprechen — und das nicht ohne Zuneigung. (Sophie Wickel)

Gefördert durch den National Arts Council Singapore

Abbildungen: Kent Chan, Heat Waves, 2021 © Kent Chan

Über den Künstler

Kent Chan * 1984 in Singapore, SGP, lebt und arbeitet in Amsterdam, NED, und Singapore, SGP. Studium an dem Sandberg Institute, Amsterdam, NED, und an dem LASALLE – College of the Arts, Singapore, SGP
Webseiten

Über das Werk

Länge 00:21:20
Sie befinden sich hier: VIDEONALE.19 / FESTIVAL & AUSSTELLUNG / Künstler:innen / Heat Waves