Alisi Telengut &

The Fourfold

Während wirbelnde Farben zusammen mit Blumen, Moosen, Ästen und Felsen über den Bildschirm tanzen, beschreibt Qirima Telengut, Großmutter der Künstlerin Alisi Telengut, den Bau des Ovoos, eines schamanischen Steinaltars, der mit Seidentüchern (Khatags) geschmückt wird. Diese Altäre sind für indigene Völker der Mongolei und Sibiriens besondere Orte, an denen sie Mutter Erde, die Flüsse, die Ahnen, die Geister der Erde und Vater Himmel, Tengri, verehren. Bei der Zeremonie der Milchtränke wird Milch als Opfergabe dem Wald und dem Himmel mit seinen schäumenden weißen Wolken angeboten, um Götter und Geister zu nähren. So wird die Verbindung zwischen Mensch und Natur verdeutlicht und wie wichtig es ist, diese zu respektieren. Zusammen mit dem rhythmischen Gesang der tuwinischen Musikgruppe Huun-Huur-Tu entsteht durch wehende Winde, knisternde Feuer und rauschendes Wasser eine ätherische Klanglandschaft. Der Film endet mit dem immerwährenden Gesang und Tanz der Pflanzen im stetigen Einklang mit den Geistern der Natur.

Mit einer Animation aus Ölpastellkreide und verschiedensten Naturalien entführt uns die kanadische Künstlerin mongolischer Herkunft in sich wandelnde Welten, die sich Bild für Bild unter der Kamera verändern. Die Impression von Bewegung und Lebendigkeit basiert auf konstanter Veränderung jedes einzelnen Bildes, das für das nächste ›ausradiert‹ und neu gezeichnet wurde. Obwohl
die Bilder nur kurz existieren, lädt uns die organische Animation dazu ein, zu verweilen und unsere Beziehungen zur Umwelt neu zu denken.

THE FOURFOLD ist ein eindrucksvolles Eintauchen in die Auseinander- setzung der Künstlerin mit ihrem kulturellen Erbe — eine multisensorische Erfahrung, basierend auf mystischen Riten und Bräuchen ihrer Vorfahren. Der Film ist eine cineastische Reise, die Weltsicht und Weisheit der Ureinwohner:innen offenbart und einen uralten Gedanken des Animismus offenlegt: dass das Leben immer in Beziehung zu anderen gelebt wird. Die Natur wird als lebendige und belebte Gemeinschaft anerkannt, der Aufmerksamkeit und Achtung entgegengebracht werden soll. Dies bedeutet auch, dass sich soziales Bewusstsein nicht nur auf die Menschheit beschränkt, sondern die Umwelt mit einschließt.

Angesichts aktueller Krisen weist THE FOURFOLD sanft, aber bestimmt darauf hin, dass die archaische Idee eines einheitlichen Geistes im Herzen aller Dinge essenziell für den Planeten und den Menschen ist, wenn dieser beständig auf ihm leben will. (Miriam Hausner)

Gefördert durch Main Film (Montréal), Cinémathèque québécoise, Canada Council for the Arts, Toronto Animated Image Society - TAIS und National Film Board of Canada - Filmmaker Assistance Program (NFB - FAP)

Abbildungen: Alisi Telengut, The Fourfold, 2020 © Alisi Telengut

Über die Künstlerin

Alisi Telengut * 1989, lebt und arbeitet in Berlin, GER, und Montréal, CAN. Studium an der Concordia University, Montréal, CAN, und an der Filmuniversität Babelsberg, Potsdam, GER
Webseiten

Über das Werk

Länge 00:07:14

Hintergründe auf Videonale X

Desktop Selfie
Alisi Telengut erzählt von der Idee der Heimat, Animismus und dem langwierigen Prozess handgemalter Animationen.
Sie befinden sich hier: VIDEONALE.19 / FESTIVAL & AUSSTELLUNG / Künstler:innen / The Fourfold