Carlos Irijalba &

Half Wet

Wie sieht eine hypothetische Zukunft aus? Während Zukunftsvorstellungen oftmals gekennzeichnet sind durch eine sich ständig übertreffende Technologie und eine Gesellschaft, die gelernt hat, sich Wissenschaft und Forschung im positivsten Sinne zu eigen zu machen, sind andere Visionen der Welt in 50, 100, 500 Jahren oftmals düster und durch die Folgen der globalen Erwärmung und des Kapitalismus geformt. In Carlos Irijalbas Arbeit HALF WET blicken wir in eine Zukunft, die uns mit tropischer Ruhe willkommen heißt und in der die Konsequenzen des jahrhundertelangen ausbeuterischen Handelns des globalen Nordens fast vergessen scheinen. Buchten und Sandstrände bestechen mit argloser Schönheit. Pools der exklusiven Feriendomizile leuchten azurblau, ihre Erscheinung wird begleitet durch Zikadengesang und das Rauschen des Meeres. In dieser Szenerie nimmt der spanische Künstler Irijalba die Zuschauer:innen geradezu unbemerkt mit in eine futuristische Realität an die Küste von Oaxaca, Mexiko. Während die pH-Werte des Meereswassers eine Überpopulation einiger Lebewesen bewirken, ist dieser Zustand für viele andere toxisch. Ein Resultat des menschgemachten Klimawandels. Infolgedessen hat der Tourismus diesem Paradies den Rücken gekehrt. Gleich einem religiösen Akt hält Protagonist Wuicho die Tradition seiner Vorfahren, die verlassenen Pools reicher Tourist:innen sauber zu halten, am Leben.

Eine Stimme aus dem Off spricht aus einer vergangenen Zeit und erinnert an jenen menschlichen Übermut, der den drastischen Verfall der Natur
in Kauf genommen hat — »a beautiful indifference«. Mit monotonem Ausdruck führt uns diese Stimme die Radikalität unseres Handelns vor Augen. Wie radikal ist es schließlich, dass Menschen einen Charterflug verschlafen, als wäre die Fähigkeit zu Fliegen für uns nicht übernatürlich? Oder dass wir Pools bauen, nur 50 Meter vom Meer entfernt? Während die Zeit um Wuicho still zu stehen scheint, widmet er sich weiter seiner täglichen Routine — auch als sich ein aufziehender Sturm ankündigt. Alles, was bedrohlich werden könnte, scheint bereits eingetreten. Die Wellen kommen und die Wellen gehen. (Riccarda Hessling)

Gefördert durch Mondriaan Fonds

Abbildungen: Carlos Irijalba, Half Wet, 2022 © Carlos Irijalba & VG-Bildkunst

Über den Künstler

Carlos Irijalba * 1979 in Pamplona, ESP, lebt und arbeitet in Amsterdam, NED, und New York, USA. Studium an der University of Fine Arts in Bilbao, ESP, und an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten, Amsterdam, NED
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Über das Werk

Länge 00:17:20

Hintergründe auf Videonale X

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Carlos Irijalba philosophiert über die Ausdehnung von Zeit und zieht Parallelen zwischen unserer Gesellschaft und Mineralien.
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