Eliane Esther Bots &

In Flow of Words

Welche Form wähle ich als Filmemacher:in, um Menschen und ihren Geschichten eine Bühne zu bieten? Wer spricht, in welcher Weise, an welchen Orten und mit welchen Mitteln? Man spürt in IN FLOW OF WORDS, dass hier die Protagonist:innen in die Entscheidung einbezogen wurden, in welcher Form sie ihre Geschichte erzählen wollen.

Dieses Moment des Mitentscheiden über die Form macht einen wichtigen Unterschied — grundsätzlich und im Fall der drei Protagonist:innen in IN FLOW OF WORDS in besonderer Weise. Alma Imamović, Nenad Popović Pops und Besmir Fidahić arbeiteten als Dolmetscher:innen für das Jugoslawientribunal in Den Haag, in dem die Kriegsverbrechen des Jugoslawienkrieges verhandelt wurden. Alle drei hatten den Krieg in den 90er Jahren selbst erlebt und dolmetschten nun im Rahmen des Tribunals sowohl für die Opfer als auch die Täter der dort begangenen Verbrechen. Sie waren für den Verlauf des Prozesses essenziell und dennoch blieben sie in ihrer Funktion als Dolmetscher:innen weitgehend unsichtbar. Ihre Aufgabe war es, möglichst neutral und möglichst ohne persönliche Anteilnahme das zu übersetzen, was die Menschen berichteten. Sie glichen damit — wie Alma es im Film selbst benennt — einer Vase, deren einzige Aufgabe es ist, eine Blume zu stützen, so wie es ihre einzige Aufgabe als Dolmetscherin ist, eine Konversation zu ermöglichen — und nichts weiter.

Eliane Esther Bots öffnet in IN FLOW OF WORDS einen Raum, in dem die Protagonist:innen sprechen, einander zuhören, sich erinnern können und den sie sich — anders als im formalisierten Setting bei Gericht — mit ihren Körpern, Handlungen, Worten selbst aneignen können. Es scheint, als wäre es hier die Filmemacherin, die sich und ihr filmisches Medium als Gefäß anbietet, das nun mit den Stimmen, Emotionen und Erinnerungen gefüllt wird, die bislang nirgendwo Platz fanden. Was zuvor streng getrennt war — Beweismittel und Zeugenaussagen auf der einen, die Emotionen der Dolmetschenden auf der anderen Seite —, darf nun zusammenkommen. Die Empfindungen im Moment des Übersetzens legen sich über die Luftaufnahmen der Tatorte. Die Zeugenaussagen werden um die emotionale Erschütterung erweitert, die sie bei Alma, Besmir und Nenad nachhaltig auslösten. Ihre Stimmen erklingen aus Lautsprecherboxen und sprechen zum ersten Mal im Kontext des Tribunals über sich selbst. Eine menschliche Dimension zieht ein — in die Bilder, die Erinnerungen, in die Körper der Dolmetscher:innen, durch die die Worte nun nicht mehr nur hindurchfließen, sondern die nun mit ihrer eigenen Stimme sprechen. (Tasja Langenbach)

*Wir können nur einen Ausschnitt dieses Werks im Online-Videoarchiv zeigen. Für die vollständige Version, kontaktieren Sie bitte die Künstlerin.

Abbildungen: Eliane Esther Bots, In Flow of Words, 2021 © Eliane Esther Bots / Courtesy Square Eyes

Über die Künstlerin

Eliane Esther Bots * 1986 in Amsterdam, NED, lebt und arbeitet in Den Haag, NED. Studium an der University of the Arts Utrecht, NED, der École Européenne Supérieure de l’image, Angoulême, FRA, und an der Netherlands Film Academy, Amsterdam, NED
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Über das Werk

Länge 00:22:15
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