Florin Tudor &
Mona Vatamanu &

Omnia Communia Deserta

Unser Zeitalter wird mitunter als das Anthropozän bezeichnet — eine Epoche also, in der der Mensch auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse der Erde den stärksten Einfluss nimmt. Globale Erwärmung, Wirbelstürme, massives Artensterben, Luft- und Wasserverschmutzung, Verwüstung von Landstrichen usw. treffen nicht mehr, wie im Eiszeitalter, schicksalhaft auf das Erdgeschehen, sondern sind ›hausgemacht‹. Diese Tatsachen sind bekannt, aber »die Tatsache, dass wir es wissen, scheint nicht sehr wichtig zu sein«, — resümiert Ovidiu Tichindeleanu, Philosoph, Kulturkritiker und hier im Video von Mona Vatamanu & Florin Tudor auch ›Architekturführer‹ durch die Sala Omnia in Bukarest.*

Im Video begleitet man Tichindeleanu bei einem Rundgang von Raum zu Raum, wobei er in seinem Vortrag auf die ehemalige Funktion der Sala Omnia und den Symbolwert einzelner Architekturteile eingeht. Er erläutert die Psychologie des architektonischen Aufbaus mit Treppen, Fluren, Dekor- und Materialwahl und führt uns so die Choreografie der Machtausübung des diktatorischen Regimes von Nicolae Ceauşescu vor Augen. Die Führung durch die Sala Omnia findet während der Umbauphase statt; einige Architekturteile wurden entfernt, um das Gebäude vom historischen Ballast zu befreien. Für Tichindeleanu ist die Sala Omnia heute nicht nur eine Ruine der sozialistischen Zivilisation, sondern auch der effizienten, auf Ressourcenausbeutung und Verschwendung von Gemeingut gestützten Moderne, in der wir »unser unheilvolles Ziel kennen und dennoch blindlings auf die Erkenntnis zusteuern, dass die letzte Konsequenz unserer Lebensweise die Auslöschung ist.«

Mona Vatamanu & Florin Tudor widmen sich in ihren Arbeiten der Machtsymbolik von Architektur als Hort der Erinnerung, eines persönlichen und kollektiven Gedächtnisses in der post-kommunistischen Gesellschaft. Wichtigster Bezugspunkt in vielen Projekten ist die Umweltzerstörung in Folge eines hemmungslosen Ausbaus von Infrastrukturen und Industrialisierung. Die Ausbeutung von Rohstoffen und Vorräten im Dienste herrschender Ideologien — seien es sozialistische oder kapitalistische — zur Durchsetzung eigener Interessen bleibt unverändert.

Der Name Sala Omnia leitet sich, wie Tichindeleanu erklärt, von lateinisch ›omnia sunt communia‹ ab, einer Forderung des Reformators Thomas Müntzer, nach der allen alles gemeinsam gehören sollte. Aber wenn gemeinsam benötigte Ressourcen von den Nutzer:innen durch ihr kollektives Handeln ohne Bedacht erschöpft werden, bleibt allen nur noch die Ödnis — OMNIA COMMUNIA DESERTA. (Elisabeth Wynhoff)

* Das Gebäude der Omnia-Halle im Zentrum von Bukarest wurde 1967 vom rumänischen Architekten Caesar Lăzărescu als Nebengebäude des Hauptsitzes des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei entworfen. Hier fanden zunächst die Treffen der Parteiführung unter der Leitung von Nicolae Ceauşescu (Regierungszeit 1965 — 1989) statt. Seit 1990 ist der Bau der Sitz des rumänischen Senats, dann wurde er ein Lager- und Proberaum für das Nationale Operettentheater. Im Jahr 2016 wurde das Gebäude in das Eigentum des Nationalen Tanzzentrums von Bukarest übertragen.

Gefördert durch La Loge, Brussels

*Wir können nur einen Ausschnitt dieses Werks im Online-Videoarchiv zeigen. Für die vollständige Version, kontaktieren Sie bitte die Künstler:innen.

Abbildungen: Mona Vatamanu & Florin Tudor, Omnia Communia Deserta, 2020 © Mona Vatamanu & Florin Tudor

Über die Künstler:innen

Florin Tudor * 1974 in Genf, SUI, lebt und arbeitet in Bucharest, ROU. Studium an der University of Arts, Bucharest, ROU
Mona Vatamanu * 1968 in Constanta, ROU, lebt und arbeitet in Bucharest, ROU. Studium an der University of Arts, Bucharest, ROU
Webseiten

Über das Werk

Länge 00:29:00
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