Antonia Baehr &
Jule Flierl &
Isabell Spengler &

Die Hörposaune, aufgenommen in einer visuellen Installation von Nadia Lauro

Es öffnet sich — eine Situation, ein Raum, eine Sphäre aus Klang. Es begegnen sich dort die Performer:innen — Werner Hirsch (aka Antonia Baehr) und Jule Flierl — in einer visuellen Installation von Nadia Lauro, umgeben von einem stumm empfangenden Publikum und einer körperlos Anwesenden — der Kamera —, geführt von Bernadette Paassen, in Regie von Isabell Spengler.

Intro: Öffnung des Kreises der Zuschauer:innen, auch wir vor der Leinwand werden angesprochen, sind Teil. Die Wand wird durchlässig.

Hauptteil: Ein Duett. Stummer Blickkontakt. Einsatz. Interpretiert wird eine Partitur aus Pop-Up-Büchern mit dreidimensionalen Modellen des Körperinneren und von Pflanzen, deren Formen, Kanten, Übergänge und Öffnungen die Interpret:innen mit ihren Fingerkuppen langsam erfassen und in Geräusche, Sounds, Melodien, Rhythmen, leibliche Notationen umwandeln. Sie gehen unter die Haut, durchdringen die Schichten, nehmen Kontakt auf mit dem, was normalerweise im Verborgenen bleibt — dem Wirken der Organe und Säfte im Inneren der Körper, menschlichen wie pflanzlichen, dem Übergang von einem materiellen Zustand in einen anderen im Moment der Verdauung, der Atmung, der Photosynthese: Verstoffwechslung. Obwohl sich während des Duetts die Körper in ihren Positionen nicht verändern, entsteht eine dem Stück eigentümliche Dynamik, in der sich die Körper der Interpret:innen, der Rhythmus ihres Murmelns, Tönens, Schmatzens, Seufzens, Hechelns, ihre Bewegungen, die Bewegungen der Bilder, der Bücher in einen einzigen großen Organismus zu verwandeln scheinen, in dem alles Einzelne mit allem Anderen in Wechselwirkung tritt. Bestimmt wird diese Dynamik wesentlich durch die körperlos Anwesende, die durch ihr Spiel mit Nähe und Distanz, ihre rhythmisierten Perspektivwechsel, das Einfangen
und wieder Loslassen zur Ko-Komponistin und Vermittlerin dieser fantastischen Welt wird. Ihre Bilder lassen zusammen mit der Sphäre aus Klang einen dreidimensionalen, atmenden Raum entstehen, der sich in den Zuschauerraum hinein erweitert. Die harten Grenzen — körperliche, mediale, sprachliche, gedankliche — verflüssigen sich und gehen neue Allianzen ein. Es entsteht im Verlauf des audiovisuellen Duetts nichts weniger als eine neue Form von Sprache und in der Folge von Kommunikation, Wahrnehmung und Wirklichkeit.

Outro: Schwerelos bewegen sich die Duettpartner:innen im Raum, ein Stück von Henry Purcell neu interpretierend, irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft, in der Schwebe.

DIE HÖRPOSAUNE ist vieles und nicht zuletzt eine Hommage an die queere Ikone und den Countertenor Klaus Nomi, der mit seinem stimmlichen und körperlichen Ausdruck neue Räume öffnete und jung — als eine der ersten prominenten Persönlichkeiten — an den Folgen einer HIV-Infektion starb. (Tasja Langenbach)

Produziert von make up productions, in Co-Produktion mit dem HAU Hebbel am Ufer Berlin und mit der Unterstützung vom Theaterhaus Berlin Mitte.
Gefördert durch das Bureau Ritter / TANZPAKT RECONNECT, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR gefördert wird.

Abbildungen: Antonia Baehr, Jule Flierl, Isabell Spengler, Die Hörposaune, 2022 © Fotos/Videostill: Anja Weber / Bernadette Paassen

Über die Künstlerinnen

Antonia Baehr * 1970 in Berlin, GER, lebt und arbeitet in Berlin, GER. Studium an der Universität der Künste Berlin, GER, und an der School of The Art Institute of Chicago, USA
Jule Flierl * 1982 in Berlin, GER, lebt und arbeitet in Berlin, GER. Studium an der Experimental Academy of Dance (SEAD), Salzburg, AUT, und an der EXERCE Montpellier, FRA
Isabell Spengler * 1972 in Berlin, GER, lebt und arbeitet in Berlin, GER. Studium an der Universität der Künste, Berlin, GER, und an dem California Institute of the Arts, Los Angeles, USA
Webseiten

Über das Werk

Länge 00:29:25

Hintergründe auf Videonale X

KonteXt
Do you remember breathing? - Antonia Baehr, Jule Flierl & Isabell Spengler im Gespräch mit Margarita Tsomou über Äpfel, Klaus Nomie und die Übersetzung von Klang, Körper und Bewegung.
Xtra Blick
the body is the glitch - Eine literarische Resonanz von Margarita Tsomou auf 'die Hörposaune' im Rahmen des 'Feminist Futures Festival, Tanztage' in Berlin.
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