Dor Guez &

Colony

COLONY ist eine Dreikanal-Videoinstallation, die über Ursprung und Selbstzerstörung großer Gruppen — seien es Kolonien oder Schwärme — nachdenkt, welche von einem unstillbaren Hunger nach Wachstum angetrieben werden und sich in einem harten Konkurrenzkampf um begrenzte Ressourcen auf demselben Gebiet befinden. Guez verflechtet ikonische Fotografien der Heuschreckenplage von 1915 mit Bildern aus einem Album handgefertigter Fotografien, das vom Osmanischem Reich (1915) und dem British Empire (1930) an die ›American Colony‹ übertragen wurde.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs überfielen große Heuschreckenschwärme Ägypten, Syrien und Palästina und zerstörten die regionale Landwirtschaft, was zu Nahrungsmittelknappheit und Inflation führte. Diese Plage verstärkte die bereits dramatischen Kriegszustände und führte schnell zu Hungersnöten. COLONY beginnt mit einer Traumdeutung: Es wird vorhergesagt, dass auf sieben Jahre des Überflusses sieben Jahre Hungersnöte folgen würden. Diese würden so verheerend sein, dass die Zeiten des Überflusses in Vergessenheit geraten würden — eine Anspielung auf das Alte Testament und zugleich eine Erkundung der Umstände, die künftige Generationen als Folge des globalen Klimazusammenbruchs zu erwarten haben.

Historisch betrachtet hatten Bäuer:innen schon immer mit multiplen, kolonialen Invasionen zu kämpfen. Der Künstler lässt deren Beschaffenheit bewusst offen und die arabische Erzählstimme beschreibt die Zusammensetzung der Kolonie niemals direkt; die Interpretation wird dem Publikum überlassen. Jedoch suggeriert das Werk deutlich, dass das Verhalten von Individuen einer radikalen Veränderung unterworfen wird, sobald sie sich einer Gruppe anschließen. Für sich genommen ist jedes Individuum harmlos, aber das synchronisierte Ganze kann unbarmherzig werden. So wird die Heuschreckenplage zu einer Metapher, mit der das Verhalten jedweder Art von Kolonie beschrieben werden kann, in welcher Individuen durch ein gemeinsames Identitäts- und Schicksalsempfinden zusammengebracht werden — aber es eint sie eben auch der Wille, zu beherrschen, und ihr unstillbarer Hunger nach Wachstum, der schließlich zu ihrer Selbstzerstörung führt. Wie von der Erzählstimme beschrieben: »Schwärme sind naturgemäß zeitlich begrenzte Erscheinungen. Jede Kolonie ist dazu verdammt, in sich selbst zusammenzubrechen und abrupt aufzuhören zu existieren.«

Das Werk basiert auf einer fünf-jährigen Studie, die Guez in den Archiven der Library of Congress in Washington, D.C., sowie in den Archiven der American Colony — einer Gruppe, die 1881 von den Mitgliedern einer vormals in Chicago ansässigen, christlich-utopischen Gesellschaft gegründet wurde — durchgeführt hat. Manche der Fotografien in den Archiven wurden beschädigt und weisen Wasserschäden auf; ihre zerstörte Emulsion ähnelt nunmehr einem Rorschach-Test. Diese visuelle Übereinstimmung lässt spekulieren, ob das Video beim Publikum ebenfalls einen psychologischen Test durchführen möchte, um dessen emotionale Reaktion auf die Funktionsweise von Kolonien jeder Art zu testen. (Vanina Saracino)

In Auftrag von The American Colony Archive, Jerusalem
Gefördert durch The Rose Art Museum, Waltham, Massachusetts, USA

* Wir können nur einen Ausschnitt dieses Werks im Online-Videoarchiv zeigen. Für die vollständige Version, kontaktieren Sie bitte den Künstler.

Abbildungen: Dor Guez, Colony, 2022 © Dor Guez

Über den Künstler

Dor Guez * 1982 in Jerusalem, lebt und arbeitet in Jaffa. Promovierte an der Tel Aviv University and erhielt eine Professur an der Bezalel Academy of the Arts and Design, Jerusalem
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Über das Werk

Länge 00:13:20
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